Documenta fifteen


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Was darf Kunst?

Die Würzburger Künstlergruppe „Achtung! Kunstleerer Raum“ mit einer Popup-Demo auf der Documenta

Zu Anfang der Documenta fifteen in Kassel, einer der bedeutendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, gab es direkt zwei Tabubrüche. Einen wegen antisemitischer Sterotypen in dem Bild „peoples justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi. Steinmeier rügte das hart in seiner Eröffnungsrede und der Kanzler sagte seinen Besuch ab. Das zwanzig Jahre alte Bild thematisierte die indonesischen Freiheitskämpfe am Ende der Suharto-Diktatur, eines von den USA unterstützten Regimes. Dass die Motive antisemitisch seien - für das Kollektiv ein „interkulturelles Interpretationsproblem“. In Deutschland ein NO GO. Der zweite Tabubruch bestand darin, dass die allerhöchste Politik erstmalig offensiv der Kunst absprach, alles zu dürfen.

Grund genug für die Künstlergruppe Achtung! Kunstleerer Raum (Mechhild Hart, Gabriele Kunkel, Evelin Neukirchen, Georgia Templiner) auf die Documenta zu reisen und den Kubus direkt an der Stelle aufzubauen, an dem das umstrittene Bild hing. Und mit den Passanten eine Diskussion zu führen, was Kunst darf. Und was nicht?

„Verschiedene Standpunkte muss man aushalten,“ so eine junge Frau.

„Kunst muss provozieren! So regt sie zu Gesprächen an,“ eine andere.

„Wir müssen verstehen, dass der globale Süden einen anderen Blick auf die Welt hat, als wir. Vielleicht so, wie in Japan weiß die Farbe für Trauer ist,“ thematisierte ein Lehrer, der gerade mit seiner Klasse unterwegs war.

Dass Antisemitismus aber gar nicht geht, darin waren sich alle einig. Und das nur durch offene Diskussionen beide Seiten voneinander lernen können, ihre Standpunkte zu überdenken und vielleicht auch so zu revidieren. Sowohl der globale Norden, die ehemaligen Kolonialisten, als auch der Globalen Süden. Konfrontation verhärtet nur die Standpunkte. 

„Schade nur“, so Georgia Templiner, „dass in der allgemeinen Aufregung, das innovative Grundkonzept der Documenta fast untergeht, das dem klassischen Kunstmarkt ein Stoppschild vorhält. Es geht auch um Teamwork, um Künstler-Kollektive. Weg vom Bild des egozentrischen, unverstandenen Künstlers als Einzelkämpfer.“

„Und,“ ergänzt Evelin Neukirchen, „damit ist unser Kunstleere Raum ein weiteres Mal auf der Linie der Zeit. Wir arbeiten im Team. Der Kubus ist ein Sinnbild, denn er kann nicht alleine, sondern nur gemeinsam aufgebaut werden.“ Er sei Bühne, Mahnmal, mobile Galerie. Denn in Zeiten, in denen sich die Welt so schnell rasant verändere, müssen Kunst und Künstler unmittelbar reagieren können und sich nicht erst in die langen Bewerbungslisten von Museen oder Galerien einschreiben.

Und noch in einem sind sich die vier einig: Nie wieder Krieg! Nie wieder Antisemitismus! Nie wieder Genozid! Aber auch nie wieder Kunstzensur!

 

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