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Konzept

Achtung! Kunstleerer Raum. 

„Achtung! Kunstleerer Raum“ ist ein innovatives Konzept, das zeitgenössische Kunst in den öffentlichen Raum transportiert. Die Künstlergruppe verlässt bewusst Galerie/Museum und geht mit ihrer 7 qm2 großen Outdoor-Galerie auf die Straße, um so Kunst für ein breites Publikum sichtbar zu machen. Und, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Nicht erst seit Corona sind die Besucherzahlen in Galerien/Museen/Ateliers für zeitgenössische Kunst besorgniserregend gefallen. In Konkurrenz zu anderen Themen, wie Politik, Wirtschaft, Sozialem wird sie häufig als unwichtig bewertet. Auch gilt sie als elitär. 2022 gaben 8% der Deutschen an, besonderes Interesse für Kunst und Kultur zu haben. Rund 40% gaben dagegen an, kein Interesse zu haben. (Quelle: Statistika). Die Menschen müssen daran erinnert werden, dass Kunst einen wichtigen Teil zur gesellschaftlichen Problemlösung beitragen kann. Damit sie ihre Aufgabe als reflektierendes Bildungsmedium aber wahrnehmen kann, muss sie aber bei den Rezipienten ankommen. Und zwar gerade bei den 40% der Menschen, die sonst keine Kulturangebote nutzen. Mit dem Kubus bringen wir Kunst auf die „Straße“. Passanten können im Vorbeigehen sehen. Ein Gespräch mit einem Künstler führen. Ohne Schwellenangst, eine Galerie betreten zu müssen.

Achtung! Kunstleerer Raum. 

Eine Idee zieht Kreise!

Was vor fünf Jahren als vorsichtiger Versuch begann, Aufmerksamkeit für die Kunst zu wecken, hat sich zu einer nicht mehr wegzudenkenden Kraft entwickelt. Der ‚Kunstleere Raum‘ ist zu einem festen Begriff geworden. Viele kennen ihn oder haben zumindest von ihm gehört. Und dies weit über den Grenzen Würzburgs hinaus. Vor Ort zieht er die Aufmerksamkeit zahlreicher auch internationaler Passanten auf sich. An guten Tagen kann man weit über 2000 Menschen zählen, die über den Kiliansplatz flanieren. Und natürlich, nicht alle bleiben stehen, aber ein großer Teil schon. Manche werfen nur einen kurzen Blick auf die dargebotene Kunst. Manche lesen, manche wollen einen Austausch mit dem Künstler. Manche machen einfach nur ein Selfie. Und so wurden die Künstlerinnen auch oft angesprochen: „Could you please explain that to me?“ 

Wind und Wetter 

Als Irmingard Beirle ihre Installation “Wounded“ aufbauen wollte, blies der Wind so stark, dass die Künstlerin gleich wieder abbauen musste. Aber als Vollblut-Künstlerin ließ sie sich von den paar Tropfen und heftigen Windstößen nicht abhalten, trotzdem ihre Performance durchzuführen. Und: die einbezogenen Passanten waren mit Begeisterung dabei!

Regen, Sturm und am Ende auch noch Schnee haben die zwei Monate begleitet, in denen die vier Künstlerinnen der Künstlergruppe Achtung! Kunstleerer Raum (Mechthild Hart, Gabriele Kunkel, Evelin Neukirchen und Georgia Templiner) ihren Kubus auf dem Würzburger Kiliansplatz aufgebaut hatten. 

Dort war er wieder Bühne und Schauplatz zahlreicher spannender Aktionen. Viele BBK-Künstler:innen waren dabei. Aber auch aus ganz Deutschland, Italien, Mexiko und Armenien.

„Wind und Wetter sind einfach nicht kalkulierbar!“, sagt Mechthild Hart. „Im Unterschied zu einer geschützten Atmosphäre in der Galerie.“ 

Die Galerie sei eine geschützte Atmosphäre im doppelten Sinn!, erklärt Hart weiter: Sind die Besucher in Galerie und Museum die kunstinteressierte Minderheit, sammeln sich am Kubus alle unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und verschiedenste Nationalitäten. Manche, die Kunst mögen. Aber auch jene, die sagen, ‚Kunst, verstehe ich nicht.‘

Feedback und Aktualität

Und all diese Menschen reagieren auf die Werke und Botschaften, und geben ein direktes Feedback an die Künstler:innen:

Eine muslimische Frau suchte gezielt das Gespräch mit der Künstlerin Saskia Reis. Sie wollte deren Beweggründe der Installation „Dreams in Germany“ verstehen. Nachdem Reis ihre Intention erklärt hatte, ermutigte die Frau sie mit den Worten ‚machen Sie weiter so!‘. 

Als Gabriele Kunkel sieben Quadratmeter Waldboden direkt aus der Rhön in den Kubus brachte, bestückt mit Moos und echten Waldpilzen, sagten viele: ‚Wie wundervoll, ich kann den Wald mitten in der Stadt riechen‘. Und bei der Installation zum ‚Tag gegen Gewalt an Frauen‘ zündeten vorbeilaufende Passanten zum Gedenken an die Femizid-Opfer Kerzen an.

Dies sind nur ein paar Beispiele, die zeigen, wie der Kubus durch seine thematische Vielfalt und Aktualität zu einem wichtigen Teil des öffentlichen Diskurses geworden ist.

Denn in diesem Jahr hat der Kubus auch durch die Aufnahme zahlreicher kontroverser und aktueller Themen Aufmerksamkeit erregt, was seine Fähigkeit unterstreicht, schnell und direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Die Projekte reflektierten aktuelle Themen wie das Flüchtlingsdrama, Umweltzerstörung, Krieg und die Rolle der Frau, um nur einige zu nennen. Kunst wurde nicht so nur sichtbar, sondern auch erlebbar gemacht – spontan, nebenbei und manchmal auch mehr. 

„Neben den unglaublich vielen tollen Reaktionen, gibt es natürlich mal ein paar, die man aushalten können muss. Allerdings ist dieses Feedback auch immer eine Chance zur Vermittlung und Verständigung.“ ergänzt Evelin Neukirchen.

Verbinden_Netzwerke schaffen_Social Media.

Viele neue Verbindungen zwischen Kunstschaffenden und interessierten Passanten haben sich entwickelt und geben Hoffnung für die Zukunft. 

„Besonders hervorzuheben ist auch die Vernetzung mit Künstlern, die nun weit über die lokalen Grenzen hinausreicht,“ sagt Georgia Templiner. „Sarah Bowyer, Octavio Floreal und Pablo Mesa Capella sind aus Turin extra angereist“. 

Celeste Illzki, Lord Malam und Luis Vargas Santa Cruz brachten „Gesichter von Mexiko“ in den Kubus. Und mit ihrer Videoinstallation „From Distance“ war, bei leichtem Schneefall, Ruzan Petrosyan aus Armenien die letzte Künstlerin, die in dieser Saison ausgestellt hat. 

Aber Netzwerke zu schaffen und beständig zu erweitern, ist nicht nur auf die Zeit im Kubus beschränkt. Natürlich verbreiten die vier ihre Idee auch via Facebook, Instagram und Linkedin. Das sei enorm wichtig, weil so auch alle, die nicht vor Ort sein können, über Foto und Reels online teilhaben können, erklärt Gabriele Kunkel. Dazu gehört natürlich auch die permanente Pflege der Website. Wenn es jetzt mal ein bisschen ruhiger wird, wollen sie sich auch TikTok und YouTube widmen.

Kulturelle Bildung

Der „Kunstleere Raum“ dient nicht nur als Ausstellungsfläche, sondern auch als lebendiger Ort der Bildung und des kulturellen Austauschs. Viele Familien kommen mit ihren Kindern vorbei. Die wandern auf spielerische Weise durch Bilderlabyrinthe oder fragen neugierig, was ein Kunstleerer Raum eigentlich ist. 

Darüber hinaus war der Raum auch in diesem Jahr wieder eine Plattform für Bildungseinrichtungen. So präsentierte Claudia Breitfeld zusammen mit den Schülerinnen der St. Ursula Schule die Performance „Kunst macht sichtbar!“, die die Bedeutung der Kunst im Bildungsprozess unterstrich. Ebenso fand ein spannender Austausch mit der Hochschule Hannover statt, der sich dem Thema „Kreativität versus KI“ widmete. Im Rahmen eines Seminars diskutierten die 17 Masterstudierenden des Studiengangs Kommunikationsmanagement zusammen mit ihrer Professorin Gabriele Kunkel die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz im kreativen Sektor. Sie hinterfragten, welche Herausforderungen und Chancen der Einsatz von KI mit sich bringt und wie sich dies auf den kreativen Alltag auswirkt. Die Ergebnisse stellten sie dann im Kubus aus.

Danke!

„Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten für ihren unermüdlichen Einsatz und ihre Kreativität, die den ‚Kunstleeren Raum‘ zu dem gemacht haben, was es heute ist: Ein lebendiger, reflektierender und verbindender Raum in der Welt der bildenden Kunst“, sagt Evelin Neukirchen.

Besonders möchten sich die vier auch bei den Würzburgern bedanken und für den liebevollen Umgang mit ihrer Kunst. Bei der Installation von Frank Dimitrie Etienne, verwüstete der Wind die Installation. Passanten haben die einzelnen Teile aufgesammelt und wieder in den Kubus gebracht. Ein Buch wurde vorsorglich in eine schützende Hülle verpackt, um es vor Regen zu schützen. Und der echte Trüffel, Teil der Installation „Waldboden“, war beim Abbau noch da.

Und jetzt?

Als nächstes wird die Jury tagen, um den ersten „Kunstkubus-Preis“ zu küren. Mit im Auswahlgremium sitzen Dr. Jürgen Emmert, Leiter des Museums am Dom und Dr. Marlene Lauter, ehemalige Direktorin des Museums am Kulturspeicher. Die Preisverleihung ist für die zweite Januarwoche geplant.

Und dann? Dann werden die vier nach einer kurzen Pause ein Resümee ziehen. Überlegen, wohin die weitere Entwicklung gehen soll. Besprechen, ob vielleicht eine andere Jahreszeit doch charmanter wäre. Aber vielleicht gehören Wind und Wetter auch einfach dazu.

Gabriele Kunkel